Schwarzbuch Politik - Gegen den Ausverkauf der politischen Kultur
Vergleich zu frühere Preisbindung2
Verlag | Gütersloher Verlagshaus |
Auflage | 2009 |
Seiten | 159 |
Format | 21,5 cm |
Gewicht | 238 g |
ISBN-10 | 3579068911 |
ISBN-13 | 9783579068916 |
Bestell-Nr | 57906891T |
Von der Erosion der politischen Kultur in Deutschland
Der Zustand der politischen Kultur in Deutschland ist erbärmlich: Politik(er)verdrossenheit, der Wandel zum Mehrparteiensystem oder die von Habermas postulierten "neuen Unübersichtlichkeiten" zeigen deutlich, dass unserer politischen Kultur ein grundlegender Wandel bevorsteht. Verschärft wird die Situation noch durch die zunehmenden Regelverstöße - rechtlicher, moralischer und menschlicher Art - der Repräsentanten der politischen Kultur. Das erzeugt bei vielen Menschen Gefühle der Enttäuschung und Desorientierung und gipfelt schließlich in einem politischen Vakuum. Das alles birgt aber auch Chancen für eine weitreichende Neubestimmung.
Leseprobe:
Was ist mit der Politik los? Diese Frage stellt sich nunmehr täglich. Denn eine politische Kultur hat sich in jüngster Zeit verflüchtigt, bemerkt und beobachtet von der deutschen Gesellschaft. Diese Entwicklung hat lange vor der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise eingesetzt, sie hat die Schwierigkeit und das Dilemma der Politik als öffentliche Gestaltungsaufgabe nur verdeutlicht und beschleunigt. Die Defizite der Demokratie in Deutschland sind schon lange offenkundig. Die vormals so geschlossenen und damit stabilen Strukturen münden in neue Unübersichtlichkeiten.
Nun feiert sich die Bundesrepublik 2009 in ungewöhnlichem Maße selbst, 60 Jahre Grundgesetz, 20 Jahre Mauerfall, Daten besonderer glückhafter historischer Momente nach den Irrwegen deutscher Geschichte. Doch was da in nächster Zeit an schwarz-rot-goldener Drapierung geboten wird, vor allem von den Politikern, das ist allzu häufig nur geflissentliche Selbstbestätigung ohne kritische Reflexion und nachhaltiger Verpflichtung.
Doch die Verhältnisse, die sind nicht so. Eher drängt sich der Eindruck auf, es finde ein ständiger Ausverkauf der politischen
Kultur statt.
Dieses Buch will die Missstände in der politischen Kultur des Landes offen legen. Und zwar mit den Möglichkeiten, die der Autor gelernt hat, nämlich mit journalistischen Mitteln. Auch versteht es sich als ein subjektives Urteil über die beklagenswerten Deformierungen. Zugleich setzt es auf die Möglichkeiten, zu der eine Bürgergesellschaft unter den Bedingungen der Demokratie fähig ist, als einer Institution der Teilhabe und Partizipation. Dazu möchte das Buch ausdrücklich Mut machen.
Wenn dies gelingt, gerade in diesem Moment der Krise, dann war es der Mühe wert.
Einleitung
Von den Defiziten zur Krise: Der bedenkenlose Ausverkauf der politischen Kultur
Als Kurt Beck bei seinen Sozialdemokraten noch in Saft und Kraft stand, schickten die Strategen aus dem Willy-Brandt-Haus, der SPD-Zentrale in Berlin, ihren Vorsitzenden auf die Reise quer durch die Republik. Sie gaben seiner Tour das Motto: Nah bei den Menschen. Und so zog denn Beck, fern der Hauptstadt, im Frühjahr 2008 durch die Niederungen der Provinz. In Stadthallen und Wirtshaussälen versuchte er seinen Zuhörern die beharrlichen Aussagen und vielfältigen Einlassungen, die verschlungenen Wege und strategischen Kehrtwendungen zu erläutern, die zu diesem Zeitpunkt ein recht widersprüchliches Bild der Sozialdemokraten in der Öffentlichkeit erzeugten.
Wie nah sich Beck mit seinen Deutungsversuchen und Interpretationshilfen an die Menschen "draußen im Lande", wie es häufig im Politiker-Jargon heißt, heran robben konnte, werden die SPD-Funktionäre in Berlin sicherlich intern bilanziert haben. Aber so toll kann es nicht gewesen sein. Denn die Umfragewerte wollten durch solche parteipolitischen Nachhilfestunden partout nicht steigen. Und außerdem sorgte der SPD-Chef während einer dieser Reisestationen mit ominösen Bemerkungen über das Verhältnis der Sozialdemokraten zur Partei "Die Linke" des abtrünnigen Wiedergängers Oskar Lafontaine für erhebliche Verwirrung: Eine Liaison mit den "Schmuddelkindern" in den Ländern? Es sei Sache der einzelnen Landesverbände, die Probe aufs Exempel zu wagen. Die hessische Obergenossin Andrea Ypsilanti sah sich jedenfalls danach animiert, mit den Linken das Tänzchen zu wagen. Der Rest ist schnell erzählt: In Wiesbaden ging der zweimalige Versuch Ypsilantis schrecklich ins Auge, und Kurt Beck manövrierte sich immer mehr ins Abseits seiner Partei, bis er schließlich im September entnervt das Handtuch warf.
Aber dieser Slogan: Nah bei den Menschen! Drückt sich bei diesem sympathieheischenden Reise-Motto nicht aus, wie groß im Verständnis vieler Politiker bereits der Abstand zwischen ihnen und der Bevölkerung ist? Wo sollen Politiker in einer Demokratie ansonsten denn agieren, nah am Himmel oder nah an der Hölle, dicht an der Wirklichkeit oder neben den Träumen, im Umf