Verlag | Sonderzahl |
Auflage | 2025 |
Seiten | 224 |
Format | 21,8 x 13,9 x 1,8 cm |
Klappenbroschur | |
Gewicht | 322 g |
ISBN-10 | 3854496818 |
ISBN-13 | 9783854496816 |
Bestell-Nr | 85449681A |
Die prekären Bedingungen, unter denen Literatur geschrieben wird, wirken sich auf das literarische Schreiben aus. Nicht nur in der Soziologie, sondern auch in den Literaturwissenschaften sind soziokulturelle Entstehungsbedingungen von Literatur mittlerweile ein Thema. Die Literaturkritik ist zwar bereit, Texte aus Frankreich zum Thema Klasse (Ernaux, Eribon, Louis) zu rezipieren, stellt aber in deutscher Sprache schreibenden Autor:innen immer noch die Frage, ob denn nicht Ästhetik das entscheidende Kriterium für die Qualität von Literatur sei; als ob ästhetische Kriterien sich voraussetzungsneutral entwickelten und damit ein allen Talentierten zugängliches Instrument wären.Mit Hannelore Bublitz kann die »Rekrutierung sozialer Eliten und die Markierung sozialer Positionen keineswegs durch rationale Auswahl« begründet werden, sondern erfolgt durch »soziale Magie«, die von den Uneingeweihten nicht durchschaut werden kann.Der Band vereint Texte, die sich in vielfältiger Weise mit Klas se, Herkunft und Literatur befassen und dabei über reine biografische Erzählungen oder soziologische Analysen hinaus genreübergreifende neue Formen entwickeln - von Autor:innengesprächen, Diskussionen, literarischen Texte über einen einführenden Essay von Sabine Scholl bis hin zu einem Essay zu bell hooks von Eva Schörkhuber. Die im Band versammelten Gespräche konzipierte und moderierte Sabine Scholl seit Mai 2022 unter dem Titel »Haben und Gehabe«.
Mit Beiträgen von Katharina Braschel, Kaska Bryla, Harald Darer, Daniela Dröscher, Natascha Gangl, Sabine Gruber, Anna Gschnitzer, Dinçer Güçyeter, Waltraud Haas, Barbara Juch, Barbi Markovic, Verena Mermer, Maxi Obexer, Johanna Öttl, Karin Peschka, Sabine Scholl, Eva Schörkhuber und Magdalena Schrefel.
Leseprobe:
»wenn ich mit den schwestern meiner mutter in der küche unserer oma, ihrer mutter, als eine tochta von zwei töchtern, zwischen meiner schwester und der einen tochta der tante (die große und die kleine karin) und den anderen cousinen, enkelinnen und neffinnen sitze mit den händen am hollundersaftglas fest« (Barbara Juch, Gedicht zwei)
»[...] Und dann ist da noch die Sprache. Wie man sich ausdrückt. Eribon schreibt über seine sprachlichen Register, die er je nach Kontext einsetzt. Dahinter lauert die Angst aufzufliegen. Es rutscht dir ein Wort aus, du hast eine dialektale Färbung, wenn du aufgeregt bist. So wie du eben auch das Messer anfasst, oder dir zweimal vom Käse nimmst und alle sehen, dass du die Regeln nicht beherrschst.« (Sabine Scholl)
»Ich habe eine Zeitlang Workshops für Jugendliche gehalten. Die hießen 'Kratzen und Beißen', und das ist ungefähr, was ich mache, um zu überleben. Literatur ist das, was ich am besten kann, und um damit zu überleben, tue ich alles. Ich stehle von anderen Autorinnen, ich würde alles tun, damit der Text am Ende gut ist, und dazu gehören verschiedenste Aktivitäten. Natürlich, wenn ich einen anderen Background hätte, könnte ich mir Zeit nehmen und mich ausreichend bilden ...« (Barbi Markovic)
» [...] das kind spielt lego mit den großelternworten. baut sie ein zwischen die kindsprache, die mit allen geteilte sprache, wird im kindergarten, wird in der schule manchmal gefragt, fragt selbst danach, wie die großelternworte geschrieben werden, muss zur mutter gehen, soll sie nicht in hausübungen hineinschreiben, die großelternworte, weil sie in keinem wörterbuch wohnen, mitgeflüchtet sind mit den großelternmündern vielleicht.« (Katherina Braschel)
»[...] was heißt eigentlich Personal haben in der Literatur? Das ist etwas Selbstverständliches in bürgerlichen Romanen und Romanen von Aristokraten. Bestenfalls schreibt man halt dann über das Dienstmädchen, mit dem der Protagonist ein Verhältnis hat, wenn sie überhaupt beschrieben wird, das ist der klassische Fall. Meist wird nicht über ihre Lebenswelt berichtet, sondern sie werden vor allem in diesen bürgerlichen Haushalt hineingepflanzt, wo sie bloß funktionieren sollen. Aber sie haben keine Geschichte und oft kommen sie gar nicht mal vor.« (Eva Schörkhuber)