Die zwei Gesichter der Zerstörung. - Raphael Lemkins UN-Genozidkonvention und die Vertreibung der Deutschen.
Verlag | Duncker & Humblot |
Auflage | 2023 |
Seiten | 181 |
Format | 15,9 x 1,6 x 23,7 cm |
Gewicht | 320 g |
Reihe | Forschungen zur Geschichte ethnischer Vertreibung 1 |
ISBN-10 | 3428189051 |
ISBN-13 | 9783428189052 |
Bestell-Nr | 42818905A |
Für den Vater der UN-Völkermordkonvention von 1948, Raphael Lemkin, ist auch die Vertreibung der Deutschen eine genozidale »Zerstörung nationaler Gruppen als solcher«. Bei dem Beitritt zur UN-Konvention 1954 schließt sich der Deutsche Bundestag Lemkins Sicht an. Mit wachsender erinnerungskultureller Bedeutung des Holocausts wird Völkermord zeitweilig mit »Ausrottung« und Judenvernichtung gleichgesetzt. Doch wie die Studie ebenfalls zeigt, hat der Begriff sich im Zuge der boomenden Kolonialismus-Bewältigung nun erneut geweitet.
Raphael Lemkin, der polnisch-jüdische Vater der UN-Völkermordkonvention von 1948, sah auch in der Vertreibung von 14 Millionen Deutschen am Ende des Zweiten Weltkrieges einen Genozid. Dieser begann für ihn nicht erst bei der physischen »Ausrottung« ganzer Völker, sondern bedeutete »Zerstörung nationaler Gruppen als solcher« in ihrer sozialen Existenz. Der Deutsche Bundestag schloss sich 1954 beim Beitritt zur UN-Konvention von der CDU bis zur SPD Lemkins breitem Genozidbegriff an.
Mit wachsender Bedeutung des Holocausts in der Erinnerungskultur wurden später in Deutschland Völkermord und Judenvernichtung zeitweilig gleichgesetzt. Der Boom der Kolonialismus-Bewältigung führte jedoch erneut zu einem Begriffswandel. 2021 erkannte die Bundesregierung den Genozid an den Herero im früheren Deutsch-Südwestafrika an. Im vergleichenden Blick auf »ethnische Säuberungen« bis hin zu Putins Krieg gegen die ukrainische Nation heute diskutiert das Buch die »zwei Gesichter« des Genozids zwis chen Ausrottung und Zerstörung.
Inhaltsverzeichnis:
Unschärfen des Völkermordbegriffs in der deutschen ErinnerungskulturEntstehung und Geist der UN-Genozidkonvention von 1948 Raphael Lemkins Distanz zum Ausrottungsbegriff des Nürnberger Militärgerichtshofs Lemkins Prägung durch den defizitären Minderheitenschutz der VölkerbundszeitVertreibung als Zerstörung einer »Gruppe als solcher« Die Rolle Lemkins beim Konventionsbeitritt der Bundesrepublik 1954Bundestagskonsens 1954: Völkermord als »Zerstörung«, nicht »Ausrottung« einer GruppeKonventionsbeitritt ohne Konsequenzen: Verzicht auf die systematische Ermittlung von VertreibungsverbrechenFolgen von Verjährungsdebatten und OstverträgenZunehmende Gleichsetzung von Völkermord und Holocaust und Randposition der Vertreibung in der neuen Genozidforschung seit den 1980er JahrenRechtsradikale Instrumentalisierungen und linke Verengungen des GenoziddiskursesZwischen sachlicher Kritik und moralpolitischer Zensur: Lemkins Genozidverständnis und die GenozidforscherDie »ethnischen Säuberungen« au f dem Balkan nach 1991 und der breite Begriff des Völkermords in der deutschen und internationalen Rechtsprechung Kolonialhistorischer Wandel des Genozidbegriffs und Anerkennung des Völkermordes an den Herero 2021Zur Frage der subjektiven und objektiven Komponente des Genozidtatbestands bei der Vertreibung der DeutschenJüngste Völkermorddebatten um Polen und die UkraineResümee: Ethnische Vertreibungen als Zerstörungsgenozid