Verlag | Edition Orient |
Auflage | 2015 |
Seiten | 128 |
Format | 12,9 x 19,9 x 1,7 cm |
Gewicht | 223 g |
ISBN-10 | 3922825915 |
ISBN-13 | 9783922825913 |
Bestell-Nr | 92282591A |
Ohne Ziel streift ein junger Mann, der nach Jahren in Europa erst seit kurzem wieder in seinem Heimatland lebt, durch die Gassen von Damaskus. Ohne Ziel? Nein, er nimmt die Spur einer schönen Frau auf, die er im Bus gesehen hat und von der er glaubt, dass sie ihm ein Zeichen gegeben hat. Dabei gerät er in ein traditionelles Stadtviertel und nimmt Platz im Café Dunya. Das Dunya erweist sich als Treffpunkt einer illustren Gästeschar. Während der Tag verstreicht, gehen sie hier ein und aus, die Dichter und die Händler, die Bauern und die Intellektuellen, verschrobene Gestalten und weise Männer. Hier ist der Mittelpunkt des Viertels und das Zentrum eines kleines Kosmos! Mit feiner Beobachtungsgabe und leisem Humor beschwört Suleman Taufiq stimmungsvolle Bilder aus einer versinkenden, orientalischen Lebenswelt.
Leseprobe:
»Mein Tisch stand unter einem großen Chininbaum. Am Nachbartisch saß ein alter Mann mit kurzem, grauem Haar, allein. Er mochte vielleicht sechzig Jahre alt sein, trug einen dunklen Anzug, ein weißes, glatt gebügeltes Hemd und eine Seidenkrawatte, obwohl es heiß war. Er hatte dicke, buschige Augenbrauen und einen Schnurrbart. Sein Blick war klar, seine Gesichtszüge ernst. Auf seinem kleinen, runden Tisch standen Tee und ein Glas Wasser. Er rauchte eine Wasserpfeife und las dabei die Tageszeitung. Er hieß mich mit einem Lächeln willkommen. Ich lächelte etwas steif zurück. Dann gab er mir ein Zeichen, dass ich mich zu ihm setzen sollte. Er knüpfte sofort ein Gespräch mit mir an: »Sind Sie heute zum ersten Mal hier? Sind Sie verabredet?« Die Frage machte mich verlegen, sodass ich antwortete: »Ja. Ich bin mit einem Verwandten hier verabredet. Aber ich habe mich verspätet. Vielleicht war er schon hier und ist wieder gegangen. Ich werde noch ein bisschen warten, vielleicht kommt er ja no ch einmal zurück.«Der alte Mann nahm einen tiefen Zug aus der Wasserpfeife und sagte: »Warten gehört zum Leben. Es gibt nichts Schöneres in der Stadt, als in einem Café zu warten. Du kommst zur Ruhe und gleichzeitig bist du mitten im Leben.«